Dienstag, 27. November 2007

aus meinem fenster, gestern abend. schön!

Schande über mich! Schon wieder fast eine Woche ohne neue Worte vergangen. Aber was soll ich auch schreiben? Die Tage vergehen wie im Flug, nicht zu fassen, dass ich schon drei Monate hier in der Fremde lebe.

Die Stunden im Sprachkurs fallen mir leichter, aber die winzigen Fortschritte sind kaum spannend zu beschreiben. Naja, im Test habe ich 42,5 von 50 möglichen Punkten *strunz* und unsere wirklich entzückende Junglehrerin schrieb dazu „Iam very broud of you“. Ich gestehe: Einige dieser Punkte habe ich meinem Wörterbuch zu verdanken. Andererseits: Auch das Wörterbuch zu benutzen war vor drei Monaten noch eine ermüdende Herausforderung und noch immer habe ich die Reihenfolge der Buchstaben nicht wirklich im Kopf, sondern muss mir häufig genug mit Blindblätterei behelfen.

Meine Sprachparterinnen sprechen leider viel zu gutes Englisch, um sich mit mir auf Arabisch abzumühen – außerdem missbrauche ich sie in der Regel als Übersetzungsautomaten. Aber heute habe ich mal wieder den Sohn eines Freundes meines Vaters getroffen und sein Englisch ist so gering, dass ich fast sämtliche Hemmungen wegen meines Arabisch verliere. Ich würde es kein Gespräch nennen, aber wir kommunizieren. Ich weiß jetzt, dass mein Vater mal einen wolfsähnlichen Hund hatte und dass seine älteren Söhne im Schwimmbad von Mossul gearbeitet haben. Lieblingswort aus dem heutigen Treffen: sindschaab – Eichhörnchen. Denn mühsam ernährt sich das Eichhörnchen ;)

Gestern hatte ich noch eine nette Einführung in öffentliche Verwaltung in Jordanien. Ich habe es endlich geschafft, mein Paket von der Post abzuholen. Einmal war ich schon umsonst dort gewesen, weil die Paketausgabe nur von acht Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags geöffnet ist. Nix mit Siesta und ewig langen Öffnungszeiten, is schließlich Winter hier (apropos: fiese 14 Grad, wenn ich mein Appartement betrete, aber der Gasbrenner bröddelt die ganze Zeit, es sei denn ich bin außer Haus oder schlafe, und hat es gerade auf 18 Grad geschafft!). Jedenfalls war ich dann gestern wieder Downtown bei der Hauptpost, bekam am ersten Schalter einen Zettel, den ich im nächsten Raum einem Mann überreichte, der diverse Daten inclusive meiner Passnummer fein säuberlich in ein Buch eintrug und den Zettel dann in den Raum mit den Paketen reichte. Zehn Minuten später kam mein Päckchen und wir warteten gemeinsam auf den Zollbeamten, der gerade irgendwo im Gebäude unterwegs war, aber von einer älteren Jordanierin, die keine Lust hatte zu warten, aufgespürt und heranzitiert wurde. Ein bisschen rutschte mir das Herz in die Hose, als er auf die hübsch verpackten Geburtstagsgeschenke (Dank <3)deutete und mich fragte, was das denn sei. Schulterzucken, la arif (ich weiß nicht) und eid milaad (Geburtstag) schienen ausreichende Erklärungen zu sein – ich musste nichts auspacken und auch nichts verzollen. Ich bekam einen anderen Zettel und kehrte in den ersten Raum zurück. Dort musste ich erst zum Manager, um mir sein Häkchen abzuholen, dann zum Mann am Computer, für ich weiß nicht was, und dann zu einem dritten Mann, der mir dreieinhalb Dinar Postgebühr abknöpfte und meine Zettel energisch stempelte. Dass er mir fünf Dinar zuviel an Wechselgeld herausgab, hab ich mal nicht ausgenutzt, ich ehrliches Seelchen, und ihn damit ganz offensichtlich überrascht.

Chalas? Genug!

na, eins noch: geschlechterverwirrung beim sockenkauf:

Mittwoch, 21. November 2007

Gestern hatten wir frei – wahlfrei. Die gesamte Universität lag still, damit die Jordanier/innen wählen gehen konnten. Die meisten jungen Leute, mit denen ich mich unterhalten habe, mieden die Wahlurnen allerdings.

„Wir kennen die, wir vertrauen ihnen nicht“, sagte meine Sprachpartnerin Isra. Ins gleiche Horn stieß auch Ahmed: „Sie tun nichts für uns, deshalb will ich ihnen meine Stimme nicht geben.“ Rami plagte zwar ein schlechtes Gewissen, weil er den Gang zur Wahlurne eigentlich als seine Pflicht betrachtet, aber er hatte schließlich eine gute Ausrede: Sein Ausweis war nicht aktuell und so konnte er nicht wählen gehen. Nur Abdel war wählen und erzählte mir, dass er kurz vor Wahlschluss zu einem der Kandidaten ging, ihn um Hilfe bei einem Problem bat (um was es genau dabei ging, konnte ich leider nicht herausfinden) und ihm im Gegenzug seine Stimme versprach. Nein, Geld habe er nicht verlangt – aber in der Presse ist die Rede davon, dass einzelnen Parteien eine Stimme bis zu 100 JD (knapp 100 €) wert ist. Das entspricht einem monatlichen Durchschnittslohn, ist also ne Menge Holz hierzulande.

Die Diskussionsrunde im jordanischen Fernsehen hab ich trotz aller Konzentration nicht wirklich verstanden, aber die vier Männer regten sich zum Teil kräftig auf. Tatsache ist zum einen, dass die Islamische Aktionsfront an Boden verloren hat, während die Königstreuen die Mehrzahl der 110 Parlamentssitze errungen haben. Und zum anderen, dass zum ersten Mal in der kurzen Geschichte des Haschemitischen Königreichs eine Frau ein Direktmandat errungen hat – eine Zahnärztin aus Madaba (was einige von Euch vielleicht noch als die Stadt mit den schönen Mosaiken erinnern, in der wir die meiste Zeit damit verbrachten auf unser Essen zu warten).

Morgen ist mal wieder ein Test angesagt – die Konjugationen sitzen halbwegs, die Zahlenkombinationen und die anderen grammatischen Finesschen wie das *f.ck, was heißt verbal noun noch mal auf Deutsch????* für sechs von zehn verschiedenen Verbformen auch.

Zu Eurem Amüsement: Bei der Zahl 1 steht das Zahlwort hinter dem Nomen und folgt dessen Genus, das Nomen steht im Akkusativ. Für die Zahl 2 gibt es ohnehin eine eigene Form für die Nomen, den so genannten Dual, die Zahl ist also verzichtbar. Bei den Zahlen 3 bis zehn steht die Zahl vor dem Nomen und wechselt den Genus (also männliches Nomen, weibliche Zahl und umgekehrt), das Nomen steht in der Mehrzahl und im Genitiv. Von 11 bis 99 steht das Nomen wieder im Singular, allerdings im Akkusativ, die Zahl steht weiterhin vor dem Nomen und wechselt das Geschlecht. Bei 100, 1000 usw. folgt die Zahl im Geschlecht dagegen wieder dem Nomen, das weiterhin im Singular, allerdings jetzt wieder im Genitiv steht. Wer’s verstanden hat, kriegt ein Sternchen!

Achja, und ganz übel für mich Frostbeule: Es hat den gesamten, verdammten Tag lang geregnet und sogar gehagelt. Wer hat mich noch mal ausgelacht als ich die Regenjacke einpacken wollte? Hmmmmm?????!!!!! Aber ein Hoch auf meinen Cordmantel, der ist einfach der beste!

Und noch ne Anmerkung: Die Telekom hat’s doch tatsächlich geschafft, mir eine weitere Rechnung für November zu schicken....

Samstag, 17. November 2007

Elf Leute, die sich nicht kennen, unter einen Hut zu bringen, ist nicht so einfach. Dennoch: Serpentinen kurven und Wüstenhighway langbrettern und im Roten Meer planschen war großartig - und das Lachmuskeltraining war inklusive.

nachts am strand:
im tageslicht:

4xdeutsch, 2xarabisch, 1xholländisch - unschwer an der farbe zu erkennen ;) der amerikanisch-französisch-arabische rest war anderweitig unterwegs.
in the back of my car
lichthupe und hupe sind unverzichtbare bestandteile eines autofahrerlebens in jordanien - und sie wirken wahre wunder. oder wie es die rückbank formulierte: communicate with them!

Donnerstag, 15. November 2007

Was passiert in Amman, wenn in einem Film über kubanische Musiker einer der Helden seine Geschäftsbeziehung zu einer spanischen Talentsucherin vertieft? Während des Eröffnungsfilms eines Europäischen Filmfestivals im King Hussein Kulturzentrum zog jemand den Stecker. Das führte dazu, dass man für den Bruchteil einer Sekunde zwei nackte, braune Körper sich aufeinander stürzen sah, dann einen blauen Bildschirm und dann die Mitteilung "No signal". Ein paar Minuten, die einige Gäste nutzten, um sich aus dem Saal zu stehlen. Anschlussszene: Der Held lässt sich von seinem Freund mit dem Auto abholen und erklärt sich mit den Worten: "She's a tough one, she likes to sleep alone." Ahja!

Morgen geht's nach Aqaba, die jordanische Hafenstadt, und ich darf endlich mal wieder Peugeot fahren. Bin gespannt, ob ich's ins Meer schaffe oder doch nur vom Strand aus die Wellen beäuge :)

Montag, 12. November 2007

Kaum zu glauben, aber wahr: Ich konnte heute eine knifflige grammatikalische Frage beantworten und dem gesamten Unterricht folgen. *stolzbin* Es scheint sich auszuzahlen, dass ich immer noch wie verrückt lerne, auch wenn ich oft den Eindruck habe, dass alles viel zu langsam geht. Naja, Konversation betreiben dauert tatsächlich noch ein bisschen. Aber die Taxifahrer sind immer verzückt, wenn ich zumindest ein paar Sätze radebreche. Dass mein Arabisch gut ist, nehme ich Ihnen allerdings nicht ab, den alten Schmeichlern *g*

Zudem finde ich mittlerweile Spaß an meiner neuen Gewohnheit, mir unbekannten Männern zu sagen, dass ich verheiratet bin. Sie fragen immer. Und wenn ich Nein sagte, dann wurde ich jedes Mal nach meiner Telefonnummer gefragt. Das war ich leid. Jetzt erzähle ich immer, dass mein Mann in Deutschland arbeitet, was kürzlich zu einem amüsanten Dialog über die Vorzüge moderner Zeiten, Internet und Webcams führte.

Eine andere Wunderlichkeit: Seit ich bei myspace Jordan im Profil angegeben habe, kriege ich täglich neue Nachrichten von Ali, Achmed oder Jordanian, die mich kennenlernen wollen. Im „deutschen Netz“ hätte ich für so viel Aufmerksamkeit zumindest ein entblößtes Hinterteil ins Profil laden müssen. Ob das mein eigenes gewesen wäre, hätte natürlich eher keine Rolle gespielt. Hier reichen ein bisschen Englisch und Deutsch und schon drehen die Herren auf.

Schlechte Nachricht: Ich bin gestern nass geworden, als ich im Regen nach Hause gelaufen bin, und friere mir derart den Allerwertesten ab, dass ich wieder angefangen habe, mehrere Lagen Kleidung übereinander zu tragen. Ich gebe zu, das Wetter hier ist nicht zu vergleichen mit dem deutschen Schneegestöber, das ich gestern in den Nachrichten bewundern durfte. Trotzdem! Mir ist kalt und ich find’s doof *lach*

Sonst gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Die Tage sehen gleich aus, aber es ist noch nicht zu viel (Ich liebe es, Die Sterne zu zitieren und zu verdrehen...) Morgens Sprachkurs, mittags Cafeteria und Sprachpartner, nachmittags bis spät in die Nacht lernen und quatschen mit Leila und Konsorten.

Möglicherweise ziehe ich doch noch in eine WG mit Megan, da ihre jetzige Mitbewohnerin hier so gar nicht klar kommt und eventuell früher abreist. Und diesmal werde ich den Mietpreis verhandeln – das hab ich nämlich beim letzten Mal vergessen. Schrieb ich das schon? Weiß nicht mehr... Jedenfalls zahle ich eigentlich zu viel Miete, aber die Vermieter sind nett und bringen alles, was ich brauche – auch wenn ich alles immer erst mal gründlich reinigen muss, aber das ist eine andere Geschichte, die sich unter anderem darum dreht, dass ich zum ersten Mal willentlich ein antibakterielles Putzmittel benutzt habe... Jedenfalls betrachte ich den überhöhten Mietpreis als Lehrgeld, das ich beim nächsten Mal nicht mehr zahlen werde. Allerdings handelt es sich bei der WG definitiv noch um ein ungelegtes Ei. Also stay tuned! :)

Ähmmmm, Arabisch? Ich spiele morgen in der Konservationsstunde nen Doktor und werde fragen: Hal ladeika muschkila raraasia (erstes R im Rachen, zweites gerollt)? – Sind Sie unglücklich verliebt? Angemessene Frage, wenn meine Patientin mir erzählt, dass sie hin und wieder Herzrasen und –stechen hat und weder isst noch schläft. Tatsächlich, so wurde es gemeinschaftlich beschlossen, hat sie aber nur Stress. Meine Medizin? Urlaub!

Donnerstag, 8. November 2007

...hab euch trotzdem vermisst...




für die neugiernasen: die parfümflasche stand auf dem kühlschrank ;)

Mittwoch, 7. November 2007

Willi Betz ist einfach überall! Auf der Ladefläche eines Kühllasters bin ich heute mit ehemaligen Beschäftigten des omnipräsenten Fuhrunternehmers von Sofia nach Amman gefahren – und war das erste Mal überhaupt in Jordanien angeschnallt.

Keine Sorge, ich bin weder übergeschnappt, noch betrunken. Leider habe ich den Namen des Projekts vergessen, aber ich finde ihn noch mal heraus. Zumal ich weiß, dass die Reise hin und wieder auch nach Berlin oder Hamburg oder oder oder führt und die Teilnahme wärmstens empfehle – nicht nur, weil sie kostenlos ist.

Zwei bulgarische Lasterfahrer haben uns in ihrem 16 Jahre alten und umgebauten Truck mitgenommen – drei Sitzreihen und eine Glasfront über die gesamte Länge des Trucks. Hin und wieder wurde eine Jalousie heruntergelassen und darauf Straßenszenen, Interviews oder unsere beiden Fahrer im Cockpit projiziert. War sie hochgezogen, waren schlafende und auch schon tote Laster jeder Altersklasse zu sehen, vermeintliche Grenzstationen – mein Lacher des Abends war ein Beamter, der auf dem Computer Solitär spielte – der Großmarkt und eine weißgekleidete Sängerin, die mir Gänsehaut verursachte.

Beim Grenzübertritt zwischen Bulgarien und Serbien geht nichts ohne Zigaretten oder harte Euro. Das Fuhrunternehmen stellt pro Fahrt 25 Euro für Bakschisch zur Verfügung, was meist nicht ausreicht. Die serbische Polizei ist am gierigsten. An der Grenze zwischen Türkei und Syrien gibt es keine Duschen. Bevor der Laster die jordanische Grenze übertreten darf, wird er desinfiziert. Für die sieben Tage Fahrt bekommen jeder Fahrer knapp 180 Euro, Standzeiten werden nicht bezahlt, selbst rote Ampeln werden vom Lohn abgezogen. Schräge Nebengeschichte: Im Iran kann man drei Tage Wartezeit an der Tankstelle gegen einen Neckermann-Katalog tauschen. (Den Grund für diesen lukrativen Tausch konnte ich leider nicht erfragen, aber ich vermute mal, dass das Zeug nachgeschneidert und dann verkauft wird. Für logischere Erklärungen bin ich offen!)

Die Löhne für bulgarische Trucker jedenfalls haben Willi Betz überzeugt, er hatte sich schon vor 1989 in das staatliche Fuhrunternehmen Somat eingekauft – bis heute beschäftigt er vorwiegend bulgarische Fahrer, die die gelben Laster mit dem blauen Schriftzug durch ganz Europa, bis auf die arabische Halbinsel und weiter fahren. Seit 2006 läuft ein Verfahren wegen Lohndumping gegen das Unternehmen, das bis heute nicht abgeschlossen ist. Der Sohn des Unternehmers sitzt mit Unterbrechungen seitdem in Untersuchungshaft, das Bundesverfassungsgericht hat eine Beschwerde gegen die Länge der U-Haft erst vor sieben Tagen abgewiesen.

Sehenswert!

Sonst geht’s gut hier :)

Meine Sprachpartnerin hat mir ein paar Sätze aufgeschrieben, die ich bei der nächstbesten Gelegenheit an aufdringlichen Männern und doofen Frauen ausprobieren werde. a’ib aleik heißt „Schäm Dich!“, itrukni heißt „Lass mich in Ruhe!“ und wenn mir mal wieder jemand erzählen will, dass Rauchen schädlich ist, bekommt er muschurlik um die Ohren gehauen, was so viel heißt wie „Das geht Dich nichts an.“

Ich krieg morgen ne Party und warte ungeduldig auf Mitternacht, damit ich endlich das Päckchen von meinem Vater öffnen kann, dass mich seit Tagen von meinem Kühlschrank herunter anlacht. Natürlich habe ich es schon geschüttelt und belauscht und ich habe so meine Vermutungen, was wohl darin sein könnte. Aber Geburtstagsgeschenke macht man halt nicht vorher auf. Schrecklich, diese gute Erziehung!

Samstag, 3. November 2007

Mal wieder eine Lektion in Sachen Frauenrechte.

Ich habe einen Tag am Toten Meer verbracht, mit Leila und Jays Mitbewohner Znounou sowie einem netten Holländer und einer süßen Mexikanerin. Um Amman Beach zu betreten, zahlen Ausländer zehn JD (1 Jordan Dinar ist etwa ein Euro). Geboten werden das Tote Meer und zwei stattliche Pools, ein verdammt rutschiger Boden und das sonst so Übliche, also Kaffeebude, Restaurant, Snack- und Souvenirshop sowie Schlammschmiererei für Touristen. (Ich hatte keine Lust, 2 JD für einen Ganzkörperpackung Schlamm auszugeben, aber andere schwarze oder halbschwarze Gestalten am Strand warten zu sehen, bis das Zeug getrocknet war und abgewaschen werden konnte, hatte Unterhaltungswert.) So weit, so gut, so nett. Allerdings sollte man sich nicht am Morgen vor dem Besuch am Toten Meer rasieren, denn jede klitzekleine Wunde brennt beim Kontakt mit dem Salzwasser wie Hölle – genau wie sämtliche Schleimhäute. Tauchen nicht empfohlen – ich bekam versehentlich Wasser in die Nase und das war kein Spaß. Wie eine Quietschente durch’s Wasser zu dümpeln ist aber auch ohne Tauchgänge ein bemerkenswertes Erlebnis.

Schon beim ersten Gang am Pool entlang war mir aufgefallen, dass nur Jungs und Männer durch’s Wasser tobten. Später entdeckte ich dann auch die Mädchen und Frauen. Mit offenen Haaren oder mit Kopftuch, im Mantel oder in Jeans und T-Shirt standen und saßen sie um den Pool herum. Die einzigen weiblichen Wesen im Pool waren jedoch wir. Die Mädchen – wir waren in einen Schulausflug geraten – hielten höchstens mal ihre Füße ins Wasser, sahen den Jungs beim Schwimmen und Springen zu und wanderten zwischen Pool und Meer hin und her. Ich habe den einen oder anderen sehnsuchtsvollen Blick in Richtung Wasser gesehen, aber die meisten schienen diese Geschlechtertrennung zu akzeptieren. Vielleicht konnten die meisten der Mädchen nicht schwimmen. Dennoch: Wie frustrierend muss es sein, wenn alle männlichen Klassenkameraden an einem heißen Sommertag im Pool herumtollen, während man selbst voll bekleidet am Rand sitzen muss, nur weil man zufällig dem anderen Geschlecht angehört?

Leila und ich haben diskutiert: Ob wir uns wehren und ins Wasser gehen würden, auch wenn alle unsere Freundinnen draußen und bedeckt blieben. Oder ob wir vielleicht gar nicht erst mitfahren würden. Ich braves Mädchen kann mir vorstellen, wie es ist, das fiese Spiel zu akzeptieren. Die wilde Leila war überzeugt, dass sie das nicht mit sich machen lassen würde. 1:1

Und dann auf dem Nachhauseweg, nach Kochen und Essen mit Znounou und Leilas Mitbewohner Udai – ein Baghdadi, der zu diesem Vornamen tatsächlich auch noch den Familiennamen Hussein trägt, aber ein wirklich netter Kerl ist: Ein Mann steht im weißen Unterhemd, also halbnackt, auf der Straße. Eine Gruppe junger Männer pfeift mich nach und ruft: Wie alt bist Du? Woher kommst Du? Ich liebe Dich. Ich will Dich küssen. Dabei war an mir nichts Aufsehenerregendes zu entdecken – die Haare faul zusammengeknäult, Kapuzenpulli, Cordhose, Turnschuhe.

Aber im Ignorieren bin ich ja mittlerweile groß. Ich gehe meine Wege – auch wenn ich mich nach Anbruch der Dunkelheit unwohl fühle, weil ich weiß, dass ich aus dem Rahmen falle, wenn ich allein unterwegs bin. Ich überhöre die Kommentare auch ohne Musik in den Ohren, ich übersehe die Blicke, auch wenn ich sie spüre, ich rauche auch auf der Straße und wenn es zu warm ist, dann ziehe ich die langärmeligen Sachen aus. Das heißt so viel wie: Sie zeigen keinen Respekt für meine Bemühungen, also lasse ich meinen Respekt auch zu Hause. Ich bin davon längst nicht mehr so angepisst wie in den ersten Wochen, I got used to it.

Das ändert allerdings nichts daran, dass ich es als eine himmelschreiende Ungerechtigkeit empfinde, dass die Männer hier sich so derart daneben benehmen (dürfen), während ich schon als ehrlos gelte, wenn ich nach 22 Uhr allein nach Hause laufe, und mich von alten Frauen als Hure betiteln lassen muss, wenn ich eine Rauchpause auf dem Flohmarkt mache.