Mittwoch, 27. Februar 2008

Nachdem ich gerade mal wieder fast drei Stunden mit Wäsche waschen verbracht habe und nicht mal davon überzeugt bin, dass meine guten Stücke tatsächlich so sauber sind, wie ich sie gerne hätte, will ich mal eben meine fünf Cent zur hiesigen Waschmaschinenkultur beitragen.

Weil mein Appartement keine Waschmaschine hat – hab ich irgendwie übersehen, als ich die Wohnung gemietet habe, wird mir aber auch nicht mehr passieren – habe ich einen guten Überblick über die gängigen Formate. Trommelmaschinen, also die gängige Form des Wäsche waschenden Haushaltshelfers in D, gibt es hier durchaus zu kaufen und ich stand auch schon in verschiedenen Haushalten begeistert davor. Doch die Einheimischen mögen sie nicht so gern: Sie verbrauchten zu viel Wasser. Die Wäsche komme nicht richtig sauber heraus. Sie sind teurer im Kaufpreis.

Das mit dem Wasser kann ich schwer beurteilen, denn wie viel meine Maschine in der Heimat tatsächlich benutzte, habe ich nie gemessen. Was die Sauberkeit von Kleidung und Co. nach dem Waschgang angeht, kann ich jedoch das genaue Gegenteil vom hierzulande bevorzugten Waschautomaten behaupten. Leila war in Paris, Familie besuchen und Wäsche waschen: „Eigentlich will man das gar nicht wissen, aber man spürt sofort den Unterschied.“ Glaub ich unbesehen, denn dass zum Beispiel weiße Socken selbst mit Vorwaschspray nicht sauber werden, hab ich auch schon festgestellt.

Und was heißt schon Waschautomat? Das gängige Modell besteht aus zwei Kammern, eine zum Waschen, eine zum Schleudern. Einen festen Anschluss an das Wassersystem haben die Maschinen nicht – je nach Ausstattung der Wohnung wird das Wasser per Eimer manuell eingefüllt oder der Duschkopf in die Maschine gehängt, wahlweise auch ein Schlauch vom Wasserhahn. Legt man Wert auf warmes Wasser, erhitzt man es entweder auf dem Herd oder im Warmwasserboiler, denn die Maschinen haben keine Heizung. Dann den Timer auf fünfzehn Minuten stellen und sich eine andere Beschäftigung suchen, während ein Rotor im Maschinenboden Wäsche und Wasser abwechselnd nach links und rechts dreht. Leider zerschreddert er dabei manche Sachen und verteilt die Fusseln großzügig über die restliche Wäsche.

Am fehlenden Rotorengeräusch merkt man, dass man nun auf „Drain“ stellen darf – vorher den Schlauch zum Abflussloch im Boden bugsieren, je nach Wohnung muss dabei die gesamte Maschine verrückt werden – um das Schmutzwasser aus der Maschine zu lassen. Dabei sollte man den Abwasserschlauch im Auge behalten, will man nicht den gesamten Boden unter Wassers setzen, denn der Wasserdruck verändert sich und damit auch der Winkel, in dem das Wasser aus dem Schlauch ins Abflussloch läuft. Ist die Maschine leer, kommt ne neue Ladung Wasser zum Spülen rein und nach weiteren fünfzehn Minuten wieder raus. Fast fertig. Jetzt noch die Wäsche in die Schleuderkammer umladen. Allerdings in mindestens zwei Portionen, denn sonst ist die Schleuder zu voll, ruckelt die ganze Maschine wild durch die Gegend und macht herzzerreißende Geräusche, die auf einen nahen Tod durch Explosion deuten. Fünf Minuten schleudern, die Wäsche ist danach fast trocken und dann ab auf Trockenständer oder Leine.

Nix also mit mal eben die Maschine voll laden und ne gute Stunde später wiederkommen, um die automatisch gewaschene und geschleuderte Wäsche auf die Leine zu fädeln. Hier ist andauernd Aufmerksamkeit gefragt.

Zudem passen in die Maschinen in der Regel deutlich weniger Sachen rein. Ob mit mehr Waschgängen tatsächlich Wasser gespart werden kann, will ich dann auch noch anzweifeln.

achja, die Arabischstunde: Wasser heißt ماء (mai) und waschen غسل (rhasil).

Montag, 25. Februar 2008

Ein Freund eines Freundes hat einen Film gedreht, „Meine Stadt“, مدينتي. Er spricht darin von der Unsitte, Frauen im so genannten gefährlichen Alter, zwischen 12 und 30, nicht aus dem Haus zu lassen bis sie verheiratet sind. Danach dürfen sie in einer der nahen Textilfabriken arbeiten, so der Tenor des Dokumentarfilms. Die Stadt heißt Um Quais, im Norden Jordaniens gelegen, gegenüber der Golanhöhen, an den Grenzen zu Syrien und Israel.

Der Bus aus Irbid muss an einem Militärposten halten, die Pässe der Männer werden kontrolliert. Die Frauen müssen sich nicht rühren, nicht mal ich Ausländerin, gut zu erkennen am fehlenden Kopftuch.

Meine Verabredung mit einer der Frauen aus dem Film verzögert sich, sie hat Migräne, muss ihre anderthalbjährige Tochter betreuen. Ich laufe durch die römischen Ruinen, um mir die Zeit zu vertreiben. Alles grünt, zwischen den alten Steinen blüht es gelb und orange, weiß und lila. Vor dem Knatschrot des Mohns kapituliert die Kamera, nicht zum ersten Mal. Die Luft ist so klar, dass mir zum ersten Mal wieder bewusst wird, wie viele Abgase ich in Amman täglich einatme. Ich treffe nur vereinzelt Touristen, höre oft kaum mehr als das Summen der Bienen. Der Ausblick auf die Berge, den See Genezareth, den Yarmouk ist von Wolken getrübt und dennoch berauschend.

Andalib hat einen Freund zur Diskussion eingeladen. Wir sitzen im Romero Resthouse, gebaut aus den typischen weißen und schwarzen Steinen, wunderschön hergerichtet mit Fotos der Ruinen, Pflanzen und großen Fenstern. Eine rot-grau-getigerte Katze bettelt mit hoher Stimme, zwischen den Steinen sammelt eine alte Frau einen Sack voll Gras, ein Mädchen schlendert in grüner Schuluniform nach Hause.

Andalib ist die einzige Frau des Dorfes, die offiziell in den Ruinen arbeitet. Die studierte Anthroposophin bedient im Restaurant und hilft im daneben gelegenen Lädchen, das Handwerkskunst verkauft – für 4 Dinar pro Tag. Ibrahim hat Tourismusmanagement studiert, doch bezahlte Arbeit gibt es in Um Quais für ihn nicht. Er arbeite hin und wieder ehrenamtlich für Projekte in den Ruinen, hält sich sonst mit der Ernte seiner Olivenbäume über Wasser. In der zuweilen hitzigen Diskussion höre ich zum ersten, aber nicht zum letzten Mal: Der Film hat nichts mit der Realität zu tun.

Die beiden streiten sich vor allem über die Rolle des Islam. Andalib würde ihre Religion am liebsten ins Privatleben und aus allen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen verbannen. Für Ibrahim ist der Islam die Grundessenz seines Lebens, ein Wandel hin zu mehr Gleichberechtigung nur in diesem Rahmen vorstellbar. Immer wieder ziehen sie Vergleiche, weil doch nirgends auf der Welt die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern realisiert sei. Ich kann kaum widersprechen.

Ich darf nicht für mein Essen zahlen, auch die Übernachtung in der pompös eingerichteten Wohnung soll kostenlos sein. Wie ich mich dafür revanchieren soll, ist mir noch schleierhaft.

Am Abend besuche ich drei Familien im Ort. Am Straßenrand sitzen ein paar Jungs und rauchen Wasserpfeife, Autos fahren nur im Minutenabstand. Youssif sammelt mich in der Ortsmitte auf.

Schon bei der ersten Zigarette will er wissen, ob es schwer sei, eine Einladung nach Deutschland zu bekommen. Später schaut er mir statt ins Gesicht in der Ausschnitt, tätschelt meinen Kopf, als ich ihm viel Glück bei der Suche nach einer ausländischen Ehefrau wünsche. Ich kann gar nicht böse darüber sein, würde ähnliches wahrscheinlich auch versuchen.

Seine Schwestern haben Besuch. Mit Kaffee, Orangen und Gebäck sitzen acht Frauen auf den Polstern am Boden, die Beine in Decken gewickelt, in der Mitte des Raums brennt ein Gasheizer. Einen Job finden, nennen mir die Jungen als Hauptproblem, direkt gefolgt von der Suche nach dem passenden Ehemann. „Dabei dürfen wir nie den ersten Schritt machen“, klagen sie, „denn dann machen wir einen schlechten Eindruck und die Männer heiraten uns nicht.“ Die Stewardess hat die Hoffnung auf eine Ehe schon aufgegeben, ihr Beruf gilt vielen als unmoralisch, weil sie auch mit Männern zusammenarbeiten muss. Eine der zwei Lehrerinnen ist trotz sechs Jahren Ehe kinderlos, Fragenden erzählt sie mittlerweile nicht mehr, dass es eine bewusste Entscheidung zugunsten ihrer Arbeit sei, sondern dass das Paar medizinische Probleme habe. Die Alten schütteln den Kopf „Wir sind glücklich, wir haben Kinder, wir haben Enkelkinder, wir müssen nicht mehr so viel arbeiten.“

Im nächsten Raum sitzen vor allem alte Frauen in der Runde. Sie haben nie außerhalb des Hauses gearbeitet, wollten das auch nie, denn die bis zu zehn Kinder füllten ihren Tag ausreichend aus. Ein Baby liegt in Decken gewickelt auf den Polstern, ein knapp Vierjähriger drückt sich zwischen Mutter und übersetzendem Onkel hin und her. Die einzige Tochter des Hauses hat nach dem Studium sechs Monate gearbeitet, ist seitdem nur noch Mutter. Noch mehr Kinder will sie nicht, hofft stattdessen auf einen Job. Die Alten nicken zustimmend, loben die Familienplanung. Mir scheint die Gelegenheit recht, nach Ehrenmorden zu fragen. Die Alten wollen nicht, doch mein Arabisch ist mittlerweile so weit, dass ich auch ohne Übersetzung verstehe, dass sie von einem Fall wissen. Ich insistiere. „Das war aber nicht hier, das war in Zarqa“, werde ich abgewehrt, bevor mir versichert wird, dass sie eine Heirat die bessere Lösung bei den seltenen Fällen von unehelichem Geschlechtsverkehr sei. „Wir sind ein kleines Dorf, hier kennt jeder jeden, da passiert nichts im Geheimen.“

Der dritte Raum, drei junge Frauen, zwei gerade mit dem Studium fertig, eine noch mittendrin. Sie albern herum, foppen ihren älteren Bruder, betrachten sich als gleichberechtigt. „Natürlich will ich arbeiten, auch wenn ich verheiratet bin. Ich habe doch studiert, um zu arbeiten.“ In einer Wohnung alleine zu wohnen, macht allerdings allen dreien Angst, auch wenn sie nicht genau sagen können, wovor sie sich eigentlich fürchten. Gut, sie dürften nicht alleine ins Ausland fahren, aber sonst sei doch alles wie bei den Jungs, sie könnten das Haus allein verlassen, Partys feiern, studieren. Eine halbe Stunde vorher hat die Mutter des Hauses ins gleiche Horn geblasen. „Sie müssen nur sagen, wohin sie gehen. Wegen der Sicherheit.“

Die alte Tradition der „Scham“ scheint tatsächlich zu brechen. Gleichberechtigung habe ich nicht gesehen.

Freitag, 15. Februar 2008

Heute Morgen hat die Erde gebebt. Eine gefühlte Minute lang wackelte plötzlich das gesamte Haus, ich im Bett mit dem Laptop auf den Knien natürlich mit. Nichts ging zu Bruch, nichts fiel herunter – obwohl all meine Ablagen wie immer übervoll sind. Ich wollte erst an einen vorüber fahrenden LKW glauben, aber das wäre ja dann eine Sache von wenigen Sekunden gewesen, Motorengeräusch inklusive. Zudem passen so große LKW nicht durch die Straßen der Nachbarschaft. Weiterer Beleg für das Erdbeben: Mein Herz raste danach. Was für ein irres Gefühl! Mein erstes und bis heute einziges Erdbeben hatte ich als 15-jährige ja stumpf verschlafen. Auf mehr Werte auf der Richterskala als heute kann ich allerdings getrost verzichten.

Gestern hab ich mit nem (Fernseh-)Journalistenkollegen Milchshakes und Wein getrunken, während draußen ein Regenschauer den nächsten jagte, und mich über Prostitution in Jordanien unterhalten. Morgen geht’s ins erzkonservative Zarqa zu einer selbstverwalteten Fraueninitiative. Sonntag erfahre ich mehr über Landarbeiterinnen. Montag treff ich mich mit der Vorsitzenden einer überregionalen Fraueninitiative. Dienstag mit einer Direktorin des Umweltministeriums. Mittwoch besuche ich einen Kindergarten. Mehr oder minder volles Programm also. Allerdings brauche ich dringend noch mehr Kontakte außerhalb Ammans.

Gerade kocht das Nudelwasser und später feiert ein etwas schräger Brite seinen Geburtstag, der allerdings erst in gut sieben Tagen sein wird, gemäß dem Motto: Wenn die Feste nicht fallen, dann muss man halt feiern.

Nächste Woche soll’s hier wieder schneien. Wie war das mit dem Auswandern wegen der Temperaturen? Hierhin dann wohl eher doch nicht. Obwohl die letzten Tage mit 10 Grad Durchschnittstemperaturen (also deutlich wärmer in der Sonne...) schon ganz angenehm waren.

Dienstag, 12. Februar 2008

Nachdem ich mich ja nun schon länger nicht mehr gemeldet habe und so möglicherweise gar Spekulationen verursacht habe á la „isse entführt und nich zurückgegeben worden“, muss ich mich mal wieder melden. Und sei es nur um zu sagen, dass ich noch lebendig bin.

In den vergangenen zwei Wochen habe ich mich mehrmals auf Glatteis begeben müssen und einmal dabei sogar mit einem Sturz gezahlt, nachdem ganz Amman für zwei Tage von einem Schneesturm lahm gelegt wurde. Der letzte Schnee ist erst vor ein paar Tagen gänzlich verschwunden und es wird endlich wieder ein wenig wärmer, so dass mich meine Wohnung nicht mehr mit mickrigen 7 Grad begrüßt, wenn ich mich aus dem Bett schäle oder nach Hause komme. Immerhin blieb mir das Schicksal eines meiner amerikanischen Kommilitonen erspart, der sich das Bein wegen des spiegelglatten Schnees brach und zu allem Überfluss nicht einmal sofort operiert werden konnte, weil sein Alkoholpegel zu hoch war.




Meine Zeit bei der Jordan Times ist vorbei und ich kann nicht sagen, dass ich etwas dazu gelernt hätte, außer dass ich die Organisationsstrukturen deutscher Medien mit Redaktionskonferenzen und Themenabsprachen heute deutlicher zu schätzen weiß.

Meine Recherche zur Situation der Frauen in Jordanien entwickelt sich dagegen gut, auch wenn ich immer wieder an die Grenzen meiner Arabischkenntnisse stoße und hin und wieder meine Geduld von vergesslichen Interviewpartnern auf die Probe gestellt wird. Dem ersten Problem bin ich in Deutschland nie begegnet, dem zweiten durchaus.

Die meisten meiner Kurskollegen sind unterdessen in ihre Heimatländer zurückgekehrt, einige wackere halten weiter hier aus, andere sind nach Syrien übergesiedelt. Ich hoffe noch, nach Ägypten zu fahren bevor ich zurückkomme, aber zuvor habe ich noch Frauenorganisationen zu besuchen, Karrierefrauen zu treffen, Kindergärten zu besichtigen und Lehrpersonal zu interviewen. Und das alles auf der Suche nach der Antwort auf die Frage: „Warum gilt Jordanien eigentlich als so fortschrittlich in Sachen Gleichberechtigung, wenn ich auf der Straße so gar nichts davon merke?“