Samstag, 3. November 2007

Mal wieder eine Lektion in Sachen Frauenrechte.

Ich habe einen Tag am Toten Meer verbracht, mit Leila und Jays Mitbewohner Znounou sowie einem netten Holländer und einer süßen Mexikanerin. Um Amman Beach zu betreten, zahlen Ausländer zehn JD (1 Jordan Dinar ist etwa ein Euro). Geboten werden das Tote Meer und zwei stattliche Pools, ein verdammt rutschiger Boden und das sonst so Übliche, also Kaffeebude, Restaurant, Snack- und Souvenirshop sowie Schlammschmiererei für Touristen. (Ich hatte keine Lust, 2 JD für einen Ganzkörperpackung Schlamm auszugeben, aber andere schwarze oder halbschwarze Gestalten am Strand warten zu sehen, bis das Zeug getrocknet war und abgewaschen werden konnte, hatte Unterhaltungswert.) So weit, so gut, so nett. Allerdings sollte man sich nicht am Morgen vor dem Besuch am Toten Meer rasieren, denn jede klitzekleine Wunde brennt beim Kontakt mit dem Salzwasser wie Hölle – genau wie sämtliche Schleimhäute. Tauchen nicht empfohlen – ich bekam versehentlich Wasser in die Nase und das war kein Spaß. Wie eine Quietschente durch’s Wasser zu dümpeln ist aber auch ohne Tauchgänge ein bemerkenswertes Erlebnis.

Schon beim ersten Gang am Pool entlang war mir aufgefallen, dass nur Jungs und Männer durch’s Wasser tobten. Später entdeckte ich dann auch die Mädchen und Frauen. Mit offenen Haaren oder mit Kopftuch, im Mantel oder in Jeans und T-Shirt standen und saßen sie um den Pool herum. Die einzigen weiblichen Wesen im Pool waren jedoch wir. Die Mädchen – wir waren in einen Schulausflug geraten – hielten höchstens mal ihre Füße ins Wasser, sahen den Jungs beim Schwimmen und Springen zu und wanderten zwischen Pool und Meer hin und her. Ich habe den einen oder anderen sehnsuchtsvollen Blick in Richtung Wasser gesehen, aber die meisten schienen diese Geschlechtertrennung zu akzeptieren. Vielleicht konnten die meisten der Mädchen nicht schwimmen. Dennoch: Wie frustrierend muss es sein, wenn alle männlichen Klassenkameraden an einem heißen Sommertag im Pool herumtollen, während man selbst voll bekleidet am Rand sitzen muss, nur weil man zufällig dem anderen Geschlecht angehört?

Leila und ich haben diskutiert: Ob wir uns wehren und ins Wasser gehen würden, auch wenn alle unsere Freundinnen draußen und bedeckt blieben. Oder ob wir vielleicht gar nicht erst mitfahren würden. Ich braves Mädchen kann mir vorstellen, wie es ist, das fiese Spiel zu akzeptieren. Die wilde Leila war überzeugt, dass sie das nicht mit sich machen lassen würde. 1:1

Und dann auf dem Nachhauseweg, nach Kochen und Essen mit Znounou und Leilas Mitbewohner Udai – ein Baghdadi, der zu diesem Vornamen tatsächlich auch noch den Familiennamen Hussein trägt, aber ein wirklich netter Kerl ist: Ein Mann steht im weißen Unterhemd, also halbnackt, auf der Straße. Eine Gruppe junger Männer pfeift mich nach und ruft: Wie alt bist Du? Woher kommst Du? Ich liebe Dich. Ich will Dich küssen. Dabei war an mir nichts Aufsehenerregendes zu entdecken – die Haare faul zusammengeknäult, Kapuzenpulli, Cordhose, Turnschuhe.

Aber im Ignorieren bin ich ja mittlerweile groß. Ich gehe meine Wege – auch wenn ich mich nach Anbruch der Dunkelheit unwohl fühle, weil ich weiß, dass ich aus dem Rahmen falle, wenn ich allein unterwegs bin. Ich überhöre die Kommentare auch ohne Musik in den Ohren, ich übersehe die Blicke, auch wenn ich sie spüre, ich rauche auch auf der Straße und wenn es zu warm ist, dann ziehe ich die langärmeligen Sachen aus. Das heißt so viel wie: Sie zeigen keinen Respekt für meine Bemühungen, also lasse ich meinen Respekt auch zu Hause. Ich bin davon längst nicht mehr so angepisst wie in den ersten Wochen, I got used to it.

Das ändert allerdings nichts daran, dass ich es als eine himmelschreiende Ungerechtigkeit empfinde, dass die Männer hier sich so derart daneben benehmen (dürfen), während ich schon als ehrlos gelte, wenn ich nach 22 Uhr allein nach Hause laufe, und mich von alten Frauen als Hure betiteln lassen muss, wenn ich eine Rauchpause auf dem Flohmarkt mache.