Montag, 17. September 2007

Ich bin gerade von meinem Nachmittagsschläfchen aufgewacht. Ich habe geträumt, ein paar der Allerliebsten hätten mich vor der Abreise am Bahnhof überrascht. Ich stand am Taxi mit meinem Gepäck und wollte es gerade schultern, um zum Bahnsteig zu gehen. Es war ein großes Hallo und Juchhu, wir haben gelacht und geredet und uns vor lauter Abschiedsfreude fast von zwei Straßenbahnen überfahren lassen. (Aber nicht, dass mich jetzt einer fragt, wo genau am Bahnhof denn eigentlich Straßenbahnen fahren!) Ein netter Traum. Allerdings war es ganz gut, dass die Realität anders aussah. Ich hätte sonst sicher meinen Zug verpasst ;)

Das Fasten wird gerade gebrochen, die Störungen in den Lautsprechern der Moschee knattern das Allahaa usw. heute fast tot.

Ich denke, ich werde in Level 2 bleiben. Die Lehrer sprechen ausschließlich arabisch mit uns, nur wenn wir sie absolut nicht verstehen, schieben sie ein paar erklärende Worte auf Englisch ein. Ich finde das zwar großartig, denn so haben wir viel bessere Chancen, die Sprache wirklich zu lernen. Aber da mein bisheriger Unterricht in Deutsch gegeben wurde, waren die zwei Stunden heute Morgen ziemlich anstrengend. Ich fürchte, in Level 3 wäre ich völlig verloren.

Danach wollte ich das Lehrbuch kaufen und traf kurz vorher meine Lehrerin, die sagte, dass das Buch neu aufgelegt wurde und wir uns unbedingt die neue Version geben lassen sollen. Ruth aus Österreich und Florian kamen mit mir und wollten ihre alten Bücher gegen neue umtauschen. Allerdings behauptete der Mann hinter dem Tisch beharrlich, es gebe gar keine neue Version. Er telefonierte mit Leuten aus dem Sprachzentrum, al-markas al-luraat, und erklärte uns dann, dass er unsere Lehrerin davon überzeugt habe, die alten Bücher weiter zu benutzen. Ich werde mit dem Kauf bis morgen warten, denn so kann ich hören, was die Lehrerin tatsächlich dazu sagt.

Mit Florian ging ich dann zur Bibliothek, um Kopien von unseren Pässen für die Polizei zu machen. Das Wort für Kopie ist das gleiche wie für Bild, as-sura. Dabei habe ich zum ersten Mal das Geldstück mit dem Wert zehn Fils gesehen, es sah aus wie unser fünf-Cent-Stück. Das Geld verwirrt mich noch immer hin und wieder, weil zum Beispiel die 100-Fils-Münze die Bezeichnung 10 Piaster trägt, aber überall in Fils gerechnet wird.

Dank Amy und ihrem arabischen family-brother verlief der Besuch bei der Polizei ziemlich unkompliziert. Allerdings hat die Frau hinter dem Schalter mein Halb-Jahres-Visum nur für drei Monate bestätigt und wollte weder Fragen beantworten, noch mit sich diskutieren lassen. Sie sagte, ich solle mein Visum in drei Monaten bei einer anderen Polizeistation verlängern lassen. Außerdem könne ich ja kurz mal nach Israel oder Syrien ausreisen und mein dann neues Visum verlängern lassen. Die klassischen Antworten halt. Naja, jetzt bin ich erst mal drei Monate offiziell gemeldet und alles Weitere wird sich finden, in’scha’allah. Die Kopien haben wir natürlich nicht gebraucht, genauso wenig wie den Zettel von der Uni, der besagt, dass wir Studenten sind...

Preisfrage: Was habe ich getan, nachdem ich zurück im Hostel war? Richtige Antwort: Gegessen. Lecker Brot mit Käse und Gurke. Danach habe ich versucht für meine Recherche zu telefonieren, aber fast niemanden erreicht, und noch ein paar Mails an potenzielle Interviewpartner geschrieben, die ich morgen abschicken werde. Ich freu mich schon auf den 24-Stunden-Internetzugang in meinem Appartement.

Jetzt zieht der Duft von frisch gebratenem Hühnchen durchs Haus, mein Magen rumort und ich werde mich gleich in die Küche stellen und endlich kochen.

Der Vollständigkeit halber: Das Hühnchen war ein Fisch, seit drei Stunden im Topf. Die Russin – eigentlich eine Ukrainerin, aber sie bezeichnet sich selbst als Russin, und ich hab leider vergessen, ein zweites Mal nach ihrem Namen zu fragen – hat Haarausfall. Sie habe alles schon probiert, erzählt sie, während ich mein Gemüse schnippele. Jetzt habe ihr eine Tante empfohlen, einen Fisch vier Stunden lang zu kochen und dann zu essen. Die Haare, so hofft sie, werden danach aufhören, in Strähnen auszufallen. Während sie auf ihren Fisch wartet und ich mein Essen koche, reden wir. Sie spricht zum Teil gleichzeitig arabisch, englisch und russisch und gibt im Verlauf des Gesprächs noch einiges anderes an Vorurteilen und Aberglauben preis. Vor fünf Jahren kam sie im Auftrag einer ukrainischen Zeitung nach Jordanien, wollte eigentlich nur drei Monate bleiben. Dann kam ein Jordanier in ihr Büro und fragte so direkt wie es nur ging: Will you marry me? Sie habe zunächst verneint, später aber doch Ja gesagt. Mittlerweile ist sie wieder geschieden und lebt deshalb hier im Hostel. Jetzt hat sie eine Verabredung, deshalb kann ich nicht weiter neugierig sein.

Auf die Liste der vergessenen Dinge: Eine Brandsalbe. Der Geschirrtuch-Topflappen hat beim Nudelwasserabgießen versagt. Autsch! Aber auch diesmal ist das Jammern auf hohem Niveau, weil ich zum Glück eine dieser Gelkompressen dabei habe, die nach einem Aufenthalt im Kühlschrank wunderbare Dienste bei kleineren Verbrennungen leisten. Das Tippen wird halt ein wenig behindert...