Sonntag, 24. Juni 2012

ganz Ägypten hängt vor dem Fernseher, dem Rechner, dem Radio und lauscht Faruk Sultan, dem Vertreter der Wahlkommission.
Und statt einfach das Ergebnis zu verkünden, nimmt der Mann sich nicht nur die Zeit, den gesamten Wahlprozess nochmal zu rekapitulieren, sondern verkündet jetzt auch noch genüsslich die Ergebnisse jedes Gouvernerats einzeln. Das ist Folter!

dann endlich das Ergebnis, Sultan verstolpert die Zahlen für Shafiq und als er Mursis Ergebnis verkündet, bricht Tumult los. Der neue Präsident ist also ein Muslimbruder und heißt Mohammed Mursi.

In Zahlen: Mursi won the run-off of Egypt's presidential election with 13, 230, 131 against his opponent, Ahmed Shafiq, who followed with 12, 348, 380.
Leicht andere Zahlen: Morsy the winner with 13,230,181 votes compared to Shafiq's 12,347,380 votes. There were 50,958,794 registered voters, with 26,420,763 casting their votes. There were 843,252 invalid votes.
Die ungültigen Stimmen sind übrigens kein Hinweis darauf, dass Ägypter zu doof zum Wählen zwischen zwei Kandidaten sind. Im Gegenteil haben fast eine Millionen Menschen (auch hier differieren die Angaben mal wieder) sich für ein bewusstes Ungültig-Machen der Stimmen statt eines Nicht-Mal-Hingehen-Boykotts entschieden. Warum? Weil beide Kandidaten in der Stichwahl vor allem von liberalen, säkularen, revolutionären Kräften als Wahl der Qual begriffen wurden, die Entscheidung zwischen Pest und Cholera eben.

Und keine Minute später posten Freunde schon "Nieder, nieder mit Mohammed Mursi" - ich bin sicher, sie hätten ähnliches auch beim gegenteiligen Ergebnis gepostet. Die Namen sind wirklich austauschbar... Aber zumindest der Tahrirplatz wird sich wohl bald wieder leeren, dabei gäbe es noch ausreichend Zustände, gegen die sich Protest regen könnte. Die fehlende Verfassung, die Auflösung des Parlaments, die beschnittenen Rechte des Präsidenten, die weiterhin bestehende fast-Allmacht des Militärs. Stattdessen: Feierstimmung auf der einen Seite, Katerstimmung auf der anderen und leichte Erleichterung bei den mir bekannten Revoluzzern, die eher mit dem Bruder als mit dem Felul leben können. Und noch jetzt, um kurz vor Mitternacht höre ich hin und wieder Feuerwerk.

Die ersten Todesopfer gibt es auch schon. Nicht nur, weil man sich gegenseitig den Wahlsieg nicht gönnt. Nein: Freudenschüsse in die Luft haben eine Frau auf ihrem Balkon getötet. Verrückt! Bei Familie Mubarak kam die Nachricht erwartungsgemäß nicht gut an.