Montag, 30. April 2012

Nachbemerkung:
Ich weiß nicht genau, woran es liegt. Ich weiß nur, dass es nicht nur mir so geht. Ich habe mit zwei meiner Mitreisenden gesprochen und sie haben mein Gefühl bestätigt. Die Seele reist langsamer als der Körper.
Den gesamten Sonntag befand ich mich unter einer mit Watte gefüllten Glasglocke. Das Gefühl begleitete mich auch heute noch, wenn auch nur noch als leiser Hauch. Das Denken ist langsamer, die Bewegungen auch. Kommunikation ist möglich - ich war gestern in der Mugamma und bei einem Workshop und heute in einer Zeitung, um zu beobachten und Interviews zu führen. Aber die Verbindung ist gestört, das Gefühl der Abkopplung dominiert, als wäre man auf Droge, Schlafmittel vielleicht.
Ich habe von diesem Gefühl noch nie gelesen. Von der Überwältigung zwischen Sand und Sternen gab es Berichte, von Stille, Weite, dem Rauschen des Sands war die Rede. Aber vom Zurückkommen in die laute Zivilisation habe ich nichts gelesen, habe es vielleicht nur überlesen.
Vielleicht lag es daran, dass wir nicht nur die vier Stunden bis Kairo im Bus saßen, sondern dann auch noch gute zweieinhalb Stunden brauchten, bis wir wirklich zu Hause waren. Stau verursachenden Demonstrationen sei Dank. Diesmal vor dem Verteidigungsministerium und der Saudi-arabischen Botschaft. Hier geht’s echt rund...
Vielleicht ist es tatsächlich die Ausnahmesituation, in der wir uns täglich befinden, die das Wüstenerlebnis so nachhaltig macht. Wir kommen nur mit Schwierigkeiten hier an. KeineR von uns wollte wirklich zurück in das Chaos aus Lärm, Schmutz und Unsicherheit. Wir leben nicht schlecht, aber wir sind auch nicht blind und taub.
Vielleicht ist es auch normal. Drei Tage Stille - sieht man mal davon ab, dass Kairener offensichtlich wirklich nicht leise reden können - sind vielleicht nicht genug. Sicher aber besser als nur ein Tag, was mir am Anfang der Planung von ägyptischer Seite vorgeschlagen worden war. Hab ich sofort abgelehnt, keine Chance auf Verhandlungen...
Schön war's. Wirklich schön. Ich will zurück.


Und ich möchte die Gelegenheit nutzen und Werbung für unsere Fahrer Salim und Hamada machen. Sehr freundliche, friedliche Männer, die kochen können und auch sonst wissen, was zu tun ist – vom Aufbau eines Lagers, über das Feinjustieren der Autos, um die Düne hochzukommen, bis zur Karte im Kopf. Sie arbeiten für Garib, Telefon +20125125471, Mail: garibedwin@yahoo.com. Wir haben für drei Nächte und den Transport von und nach Kairo pro Nase 860 ägyptische Pfund bezahlt, Essen und Wasser inklusive. Zusätzlich haben wir jedem Fahrer 200 Pfund Trinkgeld gegeben.

Samstag, 28. April 2012

und weil die Technik mich verließ, hier noch Bilder von der ersten Fahrt durch die Oase Bakhariya, die Start und Ende unserer Auszeit war.

geduldiges Warten bis die Touristen - also wir - fertig mit Fotografieren sind.

Minibus für fünf Stunden
Transport zwischen dem Moloch Kairo und den Minen in der Wüste



Freitag, 27. April 2012

langsam aufwachen und mit Sand spielen

Zwischenerfrischung an mit ägyptischen Touristen überfüllter Oase, der junge Mann in Vordergrund und Superman gehören zu uns.


erzwungener Zwischenstopp mitten im Nichts

beste Möglichkeit, es in der Sonne auszuhalten? bedecken, bedecken, bedecken.

Mittagspause in einer Oase ganz für uns allein.


weitere kleine Klettertour am Rand der Weißen Wüste.


DAS Wahrzeichen der Weißen Wüste - Huhn mit Pilz.


Schlafplatz und letztes Bild, das mir die beiden Akkus erlaubten. Danach war für mich Feierabend. :(

Donnerstag, 26. April 2012


Ausblick bei der morgendlichen Suche nach einem privaten Örtchen

Spaziergang durch einen Teil der Schwarzen Wüste



Ausblick vom nächsten Kletterfelsen

Kairener Aktivisten sind immer bei der Arbeit - eigentlich haben die Junx permanent über Politik diskutiert...

...und thaura - Revolution - war dann auch das Wort aus Stein, dass er auf dem Berg hinterlassen hat.

auf dem Weg nach unten

Kristallfelsen

unser Fahrer flüchtete sich direkt in die Höhle, der zweite Fahrer sitzt rechts...

und ich bin oben rumgeklettert.


diverse wirsche Formen

Ausblicke am Nachtlager. Noch nicht die Weiße Wüste, auch wenn es so aussieht.


Mittwoch, 25. April 2012

unterwegs - Abou Ismail ist überall

unterwegs - Umweltproblematik


Mittagessen in der Oase - "Alkohol ist verboten" teilen Schilder schon draußen mit.

Gruppenfoto gegen die Sonne - 3 Deutsche, 5 Ägypter und 2 Fahrer. Gute Kombination.

Süßwassersee, deutlicher Fischgeruch, zum ersten Mal barfuß durch den Sand tapern - toll!


illegal gebautes und deshalb derzeit leerstehendes Hotelprojekt

kleine Klettertour auf einem der vielen pyramidenförmigen Felsen

schlecht gelaunte Kamele - verständlich angesichts des putzigen Nachwuchs


Geruch wie faule Eier, gefühlte 90 Grad Wassertemperatur - aber das Grün grünt.
Badespaß - Schwefelgeruch und geschätzte 25 Grad Wassertemperatur, gute Gelegenheit Platz zu schaffen für neue Sandablagerungen auf der Haut.

Wüste von Horizont zu Horizont


Dienstag, 24. April 2012

Ich nehme mir frei, verlasse die Stadt, mit ein paar Freunden im Gepäck.

Notizbuch, kein Laptop. Fotoapparat mit einem extra-gekauften Zweit-Akku aufgerüstet. Leichtes Gepäck, aber nachts wird's frisch und tags braucht's Sonnenschutz.
Kekse, Zigaretten, Aschenbecher und ne Flasche Wein.
Ich freu mich :)

Da geht's hin, 4 Tage:


ich verspreche für danach Fotos und nicht viele Worte.

Noch 5 Stunden.

Samstag, 21. April 2012

Freitagsgebet auf dem Tahrir-Platz.
(Und der Grund für die Verspätung des Posts. Dies kleine Video hochzuladen hat fast 24 Stunden gedauert. Jetzt frag ich mich, ob ich was falsch gemacht habe. Normal ist das wohl nicht, oder?)



Zuvor hatte der Prediger Mazhar Shaheen mit einer ägyptischen Flagge in der Hand zur Verteidung der Ziele der Revolution aufgerufen. Er forderte die Menge, die mit Allah Akbar-Rufen (Gott ist größer) antwortete, unter anderem dazu auf, sich nicht spalten zu lassen und die Revolution fortzusetzen. Dazu gehöre unter anderem, dass Ägypten ein ziviler Staat bleiben müsse, Vertreter des alten Regimes, die so genannten Felul, keine Macht mehr haben dürften, die neue Verfassung nicht unter einem Militärregime geschrieben und die Präsidentschaftswahlen nicht verzögert werden dürften
 
Zur Erklärung: Nachdem die verfassungsgebende Versammlung vom islamistisch dominierten Parlament vor allem mit Islamisten besetzt worden war, hatten die wenigen sekulären und liberalen Kräfte nach und nach ihren Rücktritt aus der Versammlung erklärt. Kurze Zeit später stoppte dann das höchste Verwaltungsgericht das Zusammentreten der Versammlung, die zur Hälfte aus Parlamentsmitgliedern und zur anderen Hälfte aus durch das Parlament nominierten Mitgliedern besteht. Wann die Versammlung, die die neue Verfassung schreiben soll, schlussendlich zusammentritt, ist offen. Diskutiert wird unter anderem, die Präsidentschaftswahlen zu verzögen, bis die Verfassung geschrieben ist, oder aber die Verfassung erst nach den Präsidentschaftswahlen zu schreiben. Derzeit gibt es fast tägliche Treffen zwischen dem Militärrat und den politischen Parteien. Der neue Präsident soll eigentlich im Mai gewählt werden und am 30. Juni feststehen. Eine Verfassung in dieser kurzen Zeit zu schreiben und wie geplant durch ein Referendum von der Bevölkerung absegnen zu lassen, ist kaum möglich.

Besonders laut waren die Allah Akbar-Rufe der Menge auf dem Tahrir allerding als Shaheen den Besuch des ägyptischen Muftis Ali Gum'a in Jerusalm kritisierte. Die Ablehnung einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel scheint weiterhin das Thema zu sein, dass die Ägypter am meisten eint.

Und obwohl der Freitag eigentlich unter dem Motto Einheit stand, hatte doch fast jede politische Strömung ihre eigene Bühne aufgebaut. Ich habe zwar keine Auseinandersetzungen gesehen, aber doch davon gelesen. Und noch heute abend waren die Unterstützer des Salafi Abou Ismail auf dem Tahrir, um gegen seinen Ausschluss aus dem Rennen um die Präsidentschaft zu protestieren.

Zusammenschnitt aus zwei ägyptischen Talkshows zum Thema "Fremdsprachen, Israel und Niederlagen nicht akzeptieren können"

Montag, 16. April 2012

Freitag war ich auf einer Demonstration, organisiert von den Muslimbrüdern, um gegen die Kandidatur des ehemaligen Geheimdienstchefs Omar Suleiman und anderer Vertreter des alten Regimes zu protestieren. Einen Tag später sind Suleiman, sowie der Muslimbruder-Kandidat Khairat Shater, der Salafi Abou Ismail und sieben weitere Kandidaten vorerst raus aus dem Rennen. Ich würde nicht drauf wetten, dass das so bleibt.

Deshalb einfach nur ein bewegter Eindruck von der Demo. Sie rufen "Nieder mit dem Militärregime", "Wir, das Volk, sind die rote Linie" und "Das Volk will den Fall des Regimes"




edit: Und tatsächlich, am Dienstag bestätigte das Präsidentschaftswahl-Kommittee, dass Omar Suleiman, Abu Ismail und Khairat Shater sowie sieben weitere Kandidaten ausgeschlossen bleiben. Speziell die Anhänger des Salafisten tobten vor Wut und wollen ihre Proteste fortsetzen.
Ich setze nach allen Gesprächen, die ich hier so geführt habe, und allem, was ich gelesen habe, jetzt auf den früheren Außenminister und Generalsekretär der Arabischen Liga Amr  Moussa. Aber wer weiß, was noch kommt...

Dienstag, 10. April 2012


Ich müsste euch schreiben, viel mehr schreiben. Ich lebe hier in so spannenden Tagen, Wochen, Monate sind es ja sogar. Aber gerade weil jeden Tag etwas anderes passiert, komme ich einfach nicht dazu.

Die Arbeit läuft. Nicht so wie ich gehofft hatte. Aber ich sehe viel, verstehe manches besser, manches immer noch nicht, stolpere über neue Fragen.

Die Leute in der Staatszeitung, in der ich mich derzeit herumtreibe, sind freundlich, offen, neugierig und beantworten jede Frage, erzählen gern. Obwohl wir an unserem zweiten Tag beinahe rauskomplimentiert worden wären, was sich dann aber doch in Wohlgefallen auflöste. Auffällig ist und bleibt, dass in dem Raum, in dem die Entscheidungen getroffen werden, Frauen nur Gäste sind. Sie kommen herein, besprechen sich mit den Männern, geben ihre Artikel ab und manchmal Widerworte. Aber keine bleibt, redigiert oder bestimmt, welcher Artikel an welche Stelle kommt.

Das Thema, das alle Ägypter und die meisten ihrer Gäste umtreibt, sind die Präsidentschaftswahlen. Seit gestern ist klar, wer kandidiert. In spätestens einer Woche wissen wir auch, wer Kandidat bleiben darf. Noch vor einer Woche war ich hundertprozentig sicher, dass Ägypten einen konservativ-islamischen Präsidenten haben wird.

Einen, der sich früh sowohl auf die Seite der Leute auf dem Tahrir geschlagen hat wie auch offen das Militärregime kritisiert hat. Ein Anwalt und Scheich, eloquent und respektabel. Aber eben auch einen, der vor allem von Leuten unterstützt wird, die im Parlament Anträge auf die Sperrung von Porno-Seiten im Internet stellen oder auf die Abschaffung des Rechts von Frauen auf Scheidung und während des Parlamentswahlkampfs Statuen nackter Menschen verhüllten. Die aus dem Nichts gekommen zu scheinende politische Kraft der Salafisten, stark geprägt vom wahhabitischen Gedankengut aus Saudi-Arabien und von Mubarak geförderte Gegenspieler der gemäßigteren Muslimbrüder. Mir war nicht eben wohl bei dem Gedanken an einen Präsidenten mit dem Namen Hazem Salah  Abu Ismail.

Und dann, out of the blue, waren da diese Gerüchte, dass seine Mutter U.S.-amerikanische Staatsbürgerin ist. Dazu muss man wissen, dass der neue ägyptische Präsident weder mit einer Ausländerin verheiratet sein darf (ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass es keine Präsidentin geben wird, obwohl es mindestens eine Kandidatin gibt), noch dass seine Eltern eine andere als die ägyptische Staatsbürgerschaft haben. Da waren noch andere schräge Regeln, aber die fallen mir gerade nicht ein.Ach ja, die Sache mit den Vorstrafen, sehr witzig in einem Land, in dem man für sein Engagement als Oppositionspolitiker verhaftet und verurteilt wurde (und wird), gerne auch von Militärgerichten.

Morgen sollen endgültig Dokumente veröffentlicht werden, aus denen hervorgeht, ob Hazem Abu Ismails Mutter als US-Amerikanerin gestorben ist oder nicht. Wenn es stimmt, ist er aus dem Rennen. Und mir bliebe ein seltsames Gefühl, eine Irritation darüber, dass der Kandidat mit den besten Aussichten auf Erfolg, auf diese Weise ausscheidet.

Es gibt auch über andere Kandidaten derartige Gerüchte. Bei mindestens einem haben sie sich bestätigt, andere konnte beweisen, dass sie nicht stimmen. Im Parlament wird an einem Änderungsantrag für das Wahlgesetz gearbeitet, das zwei weitere aussichtsreiche Kandidaten verhindern würde – den ehemaligen Geheimdienstchef Omar  Suleiman, der erst ganz kurz vor Bewerbungsschluss seinen Hut in den Ring warf, und Mubaraks letzter Premier Ahmed  Shafiq.

Ich beobachte weiter, auch wenn mein armes Hirn die Komplexität der Vorgänge kaum zu fassen vermag und manchmal schlicht in Streik tritt. Fahre demnächst ein paar Tage mit Freunden in die Wüste und hätte da auch noch was zum Thema Militär zu vermelden. Aber für heute ist es erst mal wieder genug.

edit: Am 11. April hat ein Verwaltungsgericht (ich nehme an, das höchste, aber Zeit, das zu recherchieren, hab ich jetzt grad nicht...) entschieden, dass es keine ausreichenden Beweise dafür gibt, dass des Salafisten Mutter als US-Amerikanerin gestorben ist. So schreibt es jedenfalls Egypt Independent. Wie schon oben angemerkt, passiert hier täglich was Neues und nichts scheint sicher. Aber würde ich auf den nächsten Präsidenten Ägyptens wetten, dann würde ich auf Abu Ismail setzen. Auch wenn mir das rein ideologisch nicht in den Kram passt.