Montag, 25. Juni 2012

Zum zweiten Mal in vier Tagen fiel im Zusammenhang mit meiner Arbeit das Wort Spion. Beim ersten Mal übersetzte meine Dolmetscherin das Wort nicht und war etwas überrascht, als ich erklärte, sicher keine Spionin zu sein. Beim zweiten Mal protestierte ich ebenfalls und die Umstehenden entschuldigten sich für den davonstürmenden Mann. Beide Male war ich im Gebäude von Ahram, einmal dem neuen und einmal dem alten Komplex - verwirrende Gangsysteme über 11 Stockwerke, riesige Hallen und winzige Büros, imposante Lobbby, ziemlich nah am Machtzentrum.

Heute stand ich an der Rezeption und verhandelte mal wieder die Verteilung von Fragebögen als eine alte Frau neben mich trat. "Ich brauche einen Journalisten", stöhnte sie mehr als sie es sagte. Übergewichtig, am Stock, verschmutzte Kleidung. Der Rezeptionist gab ihr die Telefonnummer eines Journalisten mit strikten Zeitangaben, wann der Anruf zu tätigen sei. Und während sie wartete, klagte sie immer wieder "Ich bin müde".

Der folgende Trailer gehört zu einer Dokumentation über Ägypten, die vor dem 25. Januar gefilmt wurde, und einen Teil der Ereignisse geradezu vorhersagt. Gänsehaut bei mir.



Ich denke noch immer darüber nach, was ich von Mursi als Präsident halten soll. Die allgemeine Stimmung in meinem Netzwerk ist: Das ist nur ein Übergang, ohne Macht und Einfluss. Wir werden sehen. هنشوف. Ich tendiere allerdings dazu zuzustimmen. Der Mann steht vor so vielen Problemen, seine vielbeschworene Renaissance wird ein hartes Stück Arbeit, Sisyphos-Arbeit um genau zu sein.

Meine Prognose "Der Tahrir wird sich bald leeren" war allerdings mal wieder nicht ganz zutreffend. Nur wird diesmal nicht protestiert, sondern gefeiert. Und das vermutlich noch bis Mursi seinen Eid geschworen hat. Samstag soll es soweit sein. Wo ist noch nicht klar. Parlament is ja grad nich. Transition eben.