Samstag, 28. Februar 2015

Die Zufahrtsstraße zum Tahrir-Platz ist nicht mehr mit einer Mauer abgesperrt, sondern mit einem Stahltor in den Farben der ägyptischen Flagge. Es stehen keine Panzer mehr am Platz, aber Sperren mit Stacheldraht stehen bereit, sollten sich doch noch einmal größere Menschenmengen sammeln, um Forderungen zu stellen. Das ist zwar höchst unwahrscheinlich, weil die Sicherheitsbehörden auch gegen kleinere Demonstrationen massiv vorgehen, aber immerhin die Straßenhunde können den geparkten Sperren etwas gutes abgewinnen. Neue Bilder an den Wänden dagegen gibt es kaum noch. Auch an anderen Stellen der Stadt sind kaum noch neue Grafitti zu finden, dafür sind überall überstrichene Stellen zu sehen.









Die Lendenschurze der Gekreuzigten besagen "Zentrale Sicherheitsbehörde"

"Soziale Gerechtigkeit"

Grob übersetzt: "Unser Reichtum schläft auf der Straße"

Freitag, 27. Februar 2015

ein paar Vorher-Nachher-Bilder von der Mohammed-Mahmoud-Straße in Downtown Kairo.

Die Mauer direkt neben der Amerikanischen Universität am Tahrir 2012 bis 2015

verschiedene Grafitti - verschmiert, überarbeitet, überstrichen.



Die Mugamma, das Verwaltungsgebäude direkt am Tahrir ist 2015 auch komplett neu gestrichen.

Montag, 23. Februar 2015

Worüber ich nicht lachen kann


Ich habe versucht eine Liste von Dingen zu machen, die mir so wichtig sind, dass ich keinen Witz darüber lustig finden würde. Zuerst fielen mir erst mal nur Dinge ein, über die ich herzhaft lachen kann und von denen ich weiß, dass das nicht für jeden so ist. Witze über Gott mit all seinen Namen zum Beispiel und über viele Formen von Ritualen.
Das erste, was mir einfiel, war ein Abend im örtlichen Subkulturzentrum. Ich inmitten vieler Freunde, die meisten davon lesbisch oder irgendwie sexuell unentschlossen und alle noch sehr jung. Der Mann auf der Bühne war sympathisch, wir lachten bis er anfing Witze über Homosexuelle zu machen. Die Raumtemperatur verringerte sich merklich um einige Grade. Wenn ich heute darüber nachdenke, dann möchte ich mich fast bei ihm entschuldigen. Ich kann mich nicht mehr genau an seine Worte erinnern. Aber ich vermute heute, dass wir damals vor allem deshalb nicht lachten, weil wir selbst so unsicher darüber waren, was wir von uns und unseren Beziehungen halten sollten. Vermutlich blieb uns damals das Lachen nicht deshalb im Halse stecken, weil er in aller Ernsthaftigkeit homophobe Thesen verbreitet hätte. Dafür wäre er schließlich am völlig falschen Ort gewesen, in einem Haus mit einem Programm, das ich als links, hippiesk, alternativ erinnere.
Das nächste ist noch nicht ganz so lange her. Im Fernsehen lief Mario Barth, Live-Show Olympiastadion. Zu dem Zeitpunkt überall hochgejazzt und ich hatte keine Ahnung. Also hab ich es mir angeschaut. Ich hab nicht gelacht. Kein einziges Mal. Saß nur da und wurde immer fassungsloser. Denn das war keine Satire, kein Kabarett, das war noch nicht mal Comedy. Das war eine schlichte Aneinanderreihung von Stereotypen über Männer und Frauen, nach der dem geneigten Publikum nichts mehr übrigbleiben sollte als zu sagen: „Ja, genau so isses!“
Dabei kann ich über die satirische Darstellung von Geschlechterkonflikten durchaus lachen. Kürzlich lief im Radio ein kabarettistisches Spiel mit den Rollen eines Paares, bei dem ich mehrmals laut lachen musste. Und kurz bevor ich angefangen habe diesen Text hier zu schreiben, lachte ich über den TwitterMädchen-Song. Witze über Frauen bringen mich also durchaus zum Lachen, auch wenn ich in der Realität hin und wieder – und damit viel zu oft – vor Wut aufschreien könnte, wenn ich merke wie unfair Frauen behandelt werden, nur weil sie eben Frauen sind. Dass ich über Mario Barth nicht lachen konnte, lag nicht an meinen Mangel an Toleranz, sondern an seinem Niveau.
Ich lache nicht, wenn ich nicht sicher bin, ob ein Witz als solcher gemeint ist. Macht jemand, den ich nicht gut kenne, im persönlichen Gespräch Witze über Minderheiten (es gibt so viele davon, dass sie eigentlich eine Mehrheit sind, deshalb erspare ich uns eine ohnehin unvollständige Liste), dann werde ich hellhörig, frage auch mal nach, ob das ein Witz sein sollte.
Das tue ich nicht immer, zugegeben. Man kann nicht alle Schlachten schlagen, die sich einem anbieten. Und manchmal möchte man auch nur in Ruhe seines Weges gehen.
An manchen Tagen mache ich Witze über mich selbst, an anderen kann ich nicht mal schmunzeln, wenn jemand ein Witzchen auf meine Kosten reißt.
Ist mir nichts heilig? Ich suche und suche, prüfe meine Rituale, tagelang.
Natürlich gibt es Dinge, von denen ich überzeugt bin, die mir wichtig sind, die ich nicht gerne in Frage gestellt sehe. Werden diese verlacht, dann kann ich protestieren oder umschalten (auch: weggehen, die Zeitung/das Buch wegwerfen, weiterklicken). Ich kann mich fragen, ob ich mit meiner Meinung zu Mehrheit oder Minderheit gehöre, und sogar ob ich vielleicht Unrecht habe. Aber das muss ich nicht.
Mir ist das Leben heilig. Ich lache nicht über die Realität. Über Massentierhaltung, Diskriminierung, Krieg. Aber ich lache oft, wenn diese Dinge satirisch überspitzt werden. Ist nicht die beste Satire jene, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt? Weil sie trifft, wo es weh tut.
Wie schon gesagt: Ob ich über einen Witz wirklich lache, ist von meiner Tagesform abhängig und sicher auch vom Absender.

Es ist okay, nicht zu lachen. Es sagt doch nicht mehr als dass man eine andere Sicht der Dinge hat, eine andere Meinung, vielleicht nur einen anderen Tag.
Es ist nicht okay, Menschen wegen ihrer Meinung – ob jetzt als Satire verpackt oder nicht – zu töten (oder zu bedrohen oder zu foltern oder zu inhaftieren oder zu verurteilen oder oder oder).
So einfach ist es eigentlich.