Sonntag, 9. September 2007

Angekommen.

Mein Schutzengel hat ganze Arbeit geleistet. Es ist alles so glatt gelaufen, als wäre ich nur mal eben zu meinem Opa gefahren. Jetzt sitze ich bei knapp 25 Grad in meinem female hostel in Amman, neben mir die Plastiktasse mit Schokomilch und einem milden irischen Whiskey aus dem Duty free, im Regal der Weltempfänger mit Beat.Fm und der üblichen Musik, grade eben erst lief Amy Winehouse, überall im Zimmer sind schon Sachen verteilt. Das Zimmer ist teurer geworden als im Internet angegeben, aber ich will ohnehin nicht allzu lange hier bleiben.

Die liebe T. hat mich zum Flughafen gebracht. Ich habe fast ohne Unterbrechung geredet, einen Piccolo getrunken und mit ihr eine letzte Zigarette vor dem Terminal geraucht. Kaum saß ich im Flugzeug, fielen mir auch schon die Augen zu. Nur zum Start riss ich sie noch mal auf, weil ich das Gefühl beim Abheben so gerne mag und es nicht verpassen wollte. Das Essen verschlief ich fast. Während des Nickerchens danach nahm eine der Stewardessen meinen Freitag mit und meine erste gedruckte Ausgabe der Jordan Times. Ich hatte beide nur kurz angeschaut, wollte sie eigentlich später lesen. Aber der Schlafentzug der vergangenen Tage muss wohl Opfer fordern.

Das Essen war hervorragend, es gab Metallbesteck und selbst die Trinkbecher trugen das Krönchen der Royal Jordanien. Die Stewardessen sprachen Englisch und Arabisch und trugen bis auf die Frau in der ersten Klasse rote Kostüme. Die Stewardess der ersten Klasse war die einzige Blondine und steckte in einem scheinbar traditionellen Gewand, später im Flughafen von Amman sah ich sie in der roten Uniform. Nach dem Essen wachte ich erst auf, als der Dutyfree-Wagen durch den Gang schepperte, unter uns tauchte gerade Israel auf. Die Küste, kleine Ortschaften, alles sah sehr friedlich aus. Dann ein Fluss, zerklüftete Berge, eine riesige, hell erleuchtete Stadt. Das kann eigentlich nur Jerusalem gewesen sein. Tiefer und tiefer sank das Flugzeug und plötzlich tauchte im Sand die Rollbahn auf. Es ruckelte und hoppelte und dann standen wir, ich zählte sechs Gates, vermutlich sind es mehr.

Meine Scheu, Englisch zu sprechen, scheine ich vergessen zu haben. Ich texte den Geldwechsler zu, den Passkontrolleur, den Taxifahrer, die nette Frau an der Rezeption. Zwischendrin fehlen mir Worte, Feuerzeug zum Beispiel will mir partout nur auf Französisch einfallen. Dafür streue ich arabische Vokabeln ein, die meine Gesprächspartner allerdings nicht immer sofort verstehen.

Aus dem Taxi luge ich in andere Autos. In einem dicken Geländewagen schminkt sich eine junge Frau auf dem Beifahrersitz und sieht aus, als wolle sie gleich ins Nightrooms oder einen ähnlichen Schuppen mit Dresscode gehen, schulterfrei, tief dekolletiert, sorgfältig in Form gelegte Haare. Den nächsten Wagen lenkt eine ältere Frau mit Kopftuch, ihr Begleiter sitzt daneben. Eine andere junge Frau sitzt mit langen, offenen Haaren allein im Auto, wirkt nachdenklich. Auf den Straßen sehe ich Frauen in T-Shirts, dann wieder klassisch gebundene Kopftücher. Ich finde mich selbst kurz mal doof, weil ich mir vorher so viele Gedanken um meine Kleidung gemacht habe. Letztlich wird aber auch das kein Fehler gewesen sein.

Das Zimmer ist rot und weiß und geräumig, noch steht allerdings ein zweites Bett neben meinem. Zeynat von der Rezeption verspricht, dass es morgen verschwindet, in’scha’allah. Wenn Gott mitspielt, werden auch das Türschloss und der Toilettensitz repariert. Ich bin gespannt. Ein großer Schrank – den darin versteckten Safe könnte ich mit einer Hand wegtragen – zwei kleine Regale, Schreibtisch, Stuhl, Hocker; der Kühlschrank brummt, der Adapter passt in die Steckdose. Allerdings rutscht der Stecker vom Laptop erst mit einem Streifen Tesafilm nicht mehr raus.

Die Universität soll knapp fünfzehn Minuten zu Fuß entfernt sein. Das wird mein erster Weg morgen. Ein paar Schritte die Straße runter sind ein paar Läden – zwei Supermärkte, zwei Friseure, zwei Telefonläden, ein Bäcker, ein Grill. Ich besorge Wasser, Schokomilch und Kekse. Neben Müllcontainern steht eine winzige Bude mit einem Kaffeeautomaten, daneben zwei Kühlschränke mit Cola und Co. Der Kaffee ist gut, ich werde in den nächsten Wochen wohl Stammkundin werden.

Das neue Geld verwirrt mich noch, die Scheine sind zu groß für meine Geldbörse. Zum Glück habe ich lange vor dem Abflug eine anderes Täschchen gekauft und es mitgenommen, obwohl ich nicht genau wusste, wofür ich es benutzen würde. Die Männer an den Kassen amüsieren sich über mich, aber ich glaube, sie geben mir richtig raus.

Vor den Läden sitzen junge Männer, unterhalten sich, schauen mir nach. Ich vermeide Blickkontakt und werde auch nicht angesprochen. Ich hoffe, dass ich mich bald auch nicht mehr daran störe, beobachtet zu werden, wenn ich allein durch die Straßen streife.