Freitag, 14. September 2007


Ich wache auf und fühle mich schlapp. Weder der Kaffee, noch das Frühstück, noch die Zigarette helfen. Das Gefühl bleibt. Mir ist nicht schlecht, ich habe keine Schmerzen, ich fühle mich nur, als sollte ich mein Bett nicht verlassen und keine weiteren Aktivitäten außer Schlafen planen. Vielleicht ist es das Wissen, dass heute Freitag, also der islamische Sonntag, ist. Ein Tag also, an dem ich ohnehin nichts erledigen kann.

Also füge ich mich dem Gefühl und gehe zurück ins Bett. Statt zu schlafen, beschließe ich zu lesen – mein Buch über Jordanien hat noch einige ungelesene Seiten. Ich überfliege die Seiten zur arabischen Sprache, die Seiten über Religionen in Jordanien lese ich aufmerksamer, vertiefe mich dann noch mal in das politische System aus Monarch, Senat und Unterhaus. Nach gut zwanzig Seiten fallen mir doch die Augen zu, während aus der Moschee nebenan eine enthusiastisch wirkende Predigt durch die Lautsprecher schallt. Die Stimme klingt, als würde der Imam mit aller Kraft rufen, man würde ihn sicher auch ohne Mikrophon hundert Meter weiter hören und verstehen können. Er muss danach außer Atem sein, stelle ich mir vor.

Eine knappe Stunde später reißt mich er aus dem Schlaf und predigt sicher eine Viertelstunde lang, bevor der Surensänger das Mikrophon für weitere zehn Minuten übernimmt. Die Moschee muss voll mit Betenden sein, ihre Antworten dringen immer mal wieder mit durch die Lautsprecher. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Gottesdienste sind länger und häufiger, weil heute ein Freitag im Fastenmonat Ramadan ist.

Interessant fand ich bei meiner Lektüre, dass in Jordanien alle Imame an einer staatlichen Scharia-Fakultät ausgebildet werden und nur diese staatlich ausgebildeten (und bezahlten) Religionsgelehrten tatsächlich einer Moschee vorstehen und predigen dürfen. Nicht mal Gastprediger sind offiziell erlaubt. Zudem, so das Buch von Olaf Köndgen, werden nicht nur die Inhalte der Predigten landesweit staatlich vorgegeben, sondern auch vom Geheimdienst kontrolliert. Fanatische Islamisten haben dadurch in Jordanien kaum Chancen, ein größeres Publikum zu erreichen, was natürlich nicht heißt, dass es keine gibt.

Kurz danach gibt mein Handy laut: Eine SMS aus der german corner; einer meiner Mitstudenten fragt, ob ich später mit ihm downtown bummeln will. Keine Frage, wie meine Antwort lautet.

Bis dahin werde ich mich noch mal brav an den Schreibtisch setzen und mich mit Hilfe eines Kaffees auf mein deutsches Arabischbuch konzentrieren. Außerdem habe ich endlich mein Steinarmband wieder aufgefädelt, das schon vor Wochen gerissen war. Und leider, leider musste ich auch zu Nadel und Faden greifen: Die beiden wunderschönen Taschen, die ich bei einer Dortmunder Designerin gekauft hatte, sind derart sparsam genäht, dass die Nähte schon nach wenigen Wochen an zwei Stellen aufgegangen sind. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sie sorgfältiger arbeiten würde als die Massenfabrikanten. Das war ne herbe Täuschung. Eine empörte Mail an die Dame wird in den nächsten Tagen geschrieben, denn als ich gerade die Bauchtasche abnahm, entdeckte ich eine dritte offene Stelle. *sehrböseguck*

Der Bummel führt wieder an den wasat al-balad, meine Klamotten stinken wieder als ich heimkomme. Wir bummeln zum römischen Amphitheater, das leider verschlossen ist. Dann den gegenüberliegenden Berg hinauf zum Herkules-Tempel. Auch hier sind wir zu spät für eine Besichtigung, aber der Ausblick von der ehemaligen Zitadelle auf das unter uns liegende Viertel ist phantastisch. Zunächst sind wir zu viert; die beiden Deutschen Henning und Florian und Amy aus Ohio. Später treffen wir Gretchen, Amys Freundin, und ihren libanesischen Freund Anwar, dann noch die Niederländerin Jannika und den Rest der german corner, Katharina, Friederike und Jens. Das Fasten wird gerade gebrochen, wir finden ein kleines, simples Restaurant in der Nähe der König-Hussein-Moschee. Ich gehe kurz zum Rauchen auf die Straße, mal wieder kritisch von den umstehenden Männern beäugt. Aber als ich vergeblich mein Feuerzeug suche, wird mir lächelnd geholfen. Als ich zurück komme, ist der Tisch voll mit Brot und Schälchen voll mit Kichererbsenpüree in verschiedenen Varianten und verschiedenen Falafelsorten. Zehn satte Leute, die Wasser, Cola und Tee getrunken haben, zahlen zusammen 22 Dinar – das ist mehr als günstig. Danach führt Anwar uns noch zu einer arabischen Spezialität; von dem süßen Käse müssen wir alle essen, denn eigentlich kann niemand von uns noch mehr als ein Minzblättchen verdrücken.

Der Zufall des Tages: Friederikes kleine Schwester Henni geht auf die Schule, an der ich Abitur gemacht habe, und hat die gleiche Englischlehrerin, unsere Elfe Ms. Whitaker. Ich lasse schöne Grüße ausrichten.

Als ich gerade die Fotos auf den Rechner überspiele, klopft es. Eine Jordanierin aus dem Hostel heißt mich willkommen (ich weiß noch die Zimmernummer, habe aber ihren Namen vergessen...), in den nächsten Tagen werden wir zusammen kochen. Dass ich hier ausziehen will, versteht sie gut. Sie werde auch zum Ende des Monats in ein eigenes Appartement ziehen.

Die Wochentage sind übrigens ganz einfach, sie haben keine Eigennamen, sondern werden durchgezählt. Mit dem Sonntag beginnt die Woche, al-naum aahid, der Tag Eins. Morgen ist also al-naum sabat, Samstag beziehungsweise der siebte Tag der Woche. Der Freitag ist nicht nur al-naum chamis, der fünfte Tag, sondern auch al-a’utla, der Feiertag.