Dienstag, 20. Dezember 2011

bin erschöpft und werde am Freitag nur schlafen, schlafen, schlafen. Und ja, es ist mir bewusst, dass heute erst Dienstag ist. In der arabischen Woche ist das aber schon der Mittwoch und manchmal hat man einfach so Wochen...

Seit vorgestern turne ich über meine zweite akademische Konferenz - English only. Mittags eile ich in die Sprachschule und dann wieder zurück. Abends netzwerken, Hausaufgaben machen, Nachrichten verfolgen. Bisschen viel auf einmal. Aber ein Ende ist ja in Sicht und Spaß macht es auch.

Und weil eine Kollegin, die vorgestern einen Vortrag gehalten hat, bei mir übernachtet und sich in Kairo auskennt, bin ich gestern über den Midan al-Tahrir gelaufen und habe mir auch aus einiger Entfernung die Barrikaden auf der Quasr al-Aini angesehen. Uniformen, Leute, Diskussionen, Schlagstöcke, Stacheldraht. Nichts, was ich jeden Tag haben muss. Aber seit ich es gesehen habe und nichts passiert ist, bin ich wieder deutlich ruhiger und enspannter. Alles nur in den Medien oder über Erzählungen von Freunden und Bekannten zu verfolgen, macht einen dann doch irgendwann ramdösig.

Zudem haben wir dann noch einen Kairo-Klassiker absolviert, zu dem ich bisher nicht gekommen war. Eine Runde im Boot auf dem Nil. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Mit bunten Lichterketten überspannt, ohrenbetäubende arabische Popmusik aus den Lautsprechern, entlang der Reling gepolsterte Sitzbänke und in der Mitte viel Platz auf den Holzplanken. Man steigt ein und wartet, bis das Boot sich soweit gefüllt, dass es losfährt. Das hat so zwanzig, dreißig Minuten gedauert. Die eigentliche Tour über den Nil dauerte dann ziemlich genau zehn Minuten  ich hab auf die Uhr geschaut...

Was das ganze aber so interessant macht, ist die Tatsache, dass man eine ganz übliche Cairener Freizeitbeschäftigung miterlebt. Familien mit kleinen Kindern, Pärchen, Freunde und hin und wieder auch Touristen - alle landen sie auf den Booten. Und man sieht ab nachmittags eigentlich immer mindestens eins über den breiten Fluss schippern, wenn man eine der Brücken Downtown überquert.

Womit ich nicht gerechnet hatte: Auf dem Boot gibt es auch ein Unterhaltungsprogramm der besonderen Art. Erst dachte ich, die tanzenden Mädchen wären eine Gruppe von Freundinnen, die sich einfach einen Spaß daraus machten, zu der Musik ihre Hüften zu schwingen. Aber je länger wir das Treiben beobachteten, desto offensichtlicher wurde, dass sie zum Boot gehörten und ihre Show vor allem für die männlichen Besucher abzogen.

Jetzt bin ich hin- und hergerissen, ob ich es als eine Form der Prostitution verstehen soll oder nicht. "Die Mädchen hatten doch Spaß dabei", argumentierte meine Kollegin und ich konnte zunächst nicht widersprechen. Das gemeinsame Herumgealber der Teenies und das Spiel mit der Aufmerksamkeit der jungen Männer in einem Schutzraum, in dem niemand wagen würde, übergriffig zu werden wirkten harmlos, spaßig, entspannt. Doch die Art des Tanzes war extrem sexuell aufgeladen und garantiert den Besitzern des Bootes, dass gerade die jungen Männer immer wieder kommen - während das junge ägyptische Paar, das uns gegenüber saß, eher unangenehm berührt schien...

Und so frage ich mich, was an den Tagen passiert, an denen die Mädchen vielleicht einfach mal keine Lust auf Tanzen und Lächeln und stundenlanges Herumhängen auf dem Boot haben. Das steht in keinem Reiseführer.