Freitag, 17. August 2007

Die Entscheidung ist gefallen. Ich ziehe aus.

Telefonnummern für Lagerhäuser hab ich schon. Einen oder zwei Nachmieter zu finden, sollte zum Semesterbeginn so schwer nicht sein. Der Kater darf wohl bei zwei Freundinnen wohnen. Die ersten Pflanzen sind schon verschenkt. Mit zwei Fahrrädern haben wir Minzen und Albizzien, die Streli und den Geldbaum durch de Nordstadt geschoben. Wir waren gerade in der Wohnung angekommen, da brach wieder ein Wolkenbruch los. Seltsames Wetter.

Mit meinem Bruder habe ich heute ausgemacht, dass wir uns am letzten Augustwochenende zum ersten Mal sehen. Danach noch meinen Opa besuchen. Die neue Tasche, für die er mir Geld zugesteckt hatte – so unauffällig, dass ich erst nicht verstand, warum sein Abschiedshändedruck sich wie Papier anfühlte – wird sicher seinen Geschmack treffen. Dann eine Woche für den Auszug und das Packen. Ich muss vorher schon anfangen. Die Bücher füllen eine Wand.

Während C. da war, rief die Jordanien-Koordinatorin von amnesty international Deutschland an. Über die Jordan Times-Journalistin Rana Husseini, der ich wenige Stunden zuvor geschrieben hatte, sagt sie, dass diese großen Anteil an der jordanischen Debatte über Frauenrechte und Ehrenmorde in Jordanien hat. Die Frauenbewegung sei „sehr gespalten“, vor allem die Vertreterinnen im Parlament verweigerten unter anderem die Abschaffung von Paragraphen, die unterschiedliche Strafmaße für den Mord am Ehepartner für Frauen und Männer zulassen, oder die Einrichtung von Frauenschutzhäusern. Sie nennt mir noch andere Namen, will mir E-Mail-Adressen der amnesty-Gruppen in Jordanien schicken.

Weibliche Genitalverstümmelung, sagt sie, gibt es in Jordanien nicht. Die Existenz dieser massiven körperlichen Verletzung von Frauen in anderen muslimischen Ländern wie Ägypten, Marokko, Jemen oder Oman erklärt sie durch den Import aus Schwarzafrika und alte Traditionen. Die Studie des deutschen Vereins WADI im Nordirak, nach dem in einigen kurdischen Dörfern über 90 Prozent der Frauen durch eine so genannte Beschneidung verstümmelt sind, kennt sie nicht. Ich finde es schrecklich, dass ich mich mit diesem Thema beschäftigen muss. So oft ich auch glaube, dass ich für unsoziales Verhalten Erklärungen und damit zumindest in Teilen Entschuldigungen finden kann – hier höre ich auf zu verstehen. Sex mit einer vor Schmerz wimmernden Frau kann doch nicht befriedigend sein. Wie erbärmlich klein und hilflos muss sich jemand fühlen, der aus seiner Macht über dieses Leid Lust gewinnt? Dass vor allem im ländlichen Raum sehr viele Kinder sexuell missbraucht werden, so ein anderer Bericht einer Menschenrechtsorganisation im Netz, berührt mich scheinbar weniger, vielleicht weil es mir fast normal erscheint, weil alle paar Wochen ein Kinderschinder durchs mediale Dorf gehetzt wird. Vielleicht auch, weil der Missbrauch in den meisten Fällen vor allem seelische Narben hinterlässt, der Körper jedoch zu normalem Empfinden weiterhin fähig ist. Entschuldigungen für Pädophilie zu finden, fällt mir jedoch ebenso schwer, mein Verständnis reicht nie für mehr als für Ansätze von Erklärungen.

Gleich gehe ich noch aus. B. und A. treffen sich mit Freunden in einem Laden, in den ich schon seit über einem Jahr immer mal gehen will. Dabei würde ich lieber tanzen und trinken als sitzen und reden, aber die Nacht ist ja noch jung. Es ist kurz vor eins.