Sonntag, 16. September 2007

Yalla, yalla, yalla; meine Lehrerin ist von der ganz schnellen Sorte. Wir haben die Buchstaben wiederholt. Sie wollte wissen, mit welchen Grammatikregeln wir Probleme haben. Und immer wieder: „If you know this already, go to level three.“ Ich will mir ihren Unterricht morgen noch mal anschauen, vielleicht wechsle ich dann tatsächlich eine Stufe höher.

Danach habe ich mich von einem Taxi zur Jordan Times fahren lassen. Der Mann konnte mit der Adresse zunächst gar nichts anfangen, sprach kein Wort Englisch und machte mich unruhig, weil er – nachdem er mit der Jordan Times telefoniert hatte – vornehmlich durch Wohnviertel fuhr und ich so völlig die Orientierung verlor. Dann standen wir plötzlich von dem Gebäude der Jordan Press Foundation. Great verstand er nicht, mumtas sehr wohl – das brachte ihn auch endlich zum Lächeln. Ich bin so froh, dass es mit meinem Englisch so gut klappt, dass ich immer wieder vergesse, dass ich eigentlich wegen Arabisch hier bin. Den Gesprächen der Amerikaner im Sprachzentrum zu folgen, finde ich allerdings immer noch schwierig.

Im Großraumbüro der Jordan Times traf ich Rana Husseini, mit der ich nun schon einige Male telefoniert hatte. Eine große Frau in Shirt, Weste und Jeans, die Locken kinnlang und von zahlreichen grauen Haaren durchzogen. Senior Reporter steht auf ihrer Visitenkarte. Sie telefonierte und unterbrach sich eigentlich nur, um mit mir zu sprechen. Mit manchen ihrer Bemerkungen, die sie leidenschaftlich-schnell ins Telefon rief, brachte sie ihren Tischnachbarn zum Lachen; ich konnte den arabischen Witz noch nicht nachvollziehen. Vielbeschäftigt wie sie war, drückte sie mir zunächst einen dicken Ordner mit allen Artikeln der Jordan Times zum Thema Frauen in die Hand.

In der Mitte des Raums sitzend wühlte ich mich durch die vergangenen Monate, schrieb ein paar Informationen heraus und beobachtete ansonsten das Treiben um mich herum. Mir direkt gegenüber saßen zwei junge Mädchen mit langen, offenen Haare und engen T-Shirts vor den Dell-Computern, an den anderen Tischen arbeiteten Männer, telefonierten und tippten. Das Archiv der Zeitung steckt in hunderten von Ordnern, was mich an meine Anfangszeit bei den Ruhr Nachrichten erinnerte. Ich fand das ein bisschen seltsam, weil ein großer Teil der Jordan Times bereits online abrufbar ist, aber vermutlich fehlt ihnen eine Datenbank, die eine sinnvolle Suche innerhalb der Ausgaben ermöglicht.

Rana Husseini riet mir ab, mich mit den Ehrenmorden zu beschäftigen – ihr schlagendes Argument: Die Prozesse und Akten sind komplett arabisch. Mein Wissen über dieses Thema werde ich also weiter aus ihren Artikeln und anderen Veröffentlichungen beziehen. Stattdessen werde ich weiter in Richtung Arbeitsmarkt recherchieren. Denn obwohl die jungen Frauen in Jordanien genauso gut ausgebildet sind wie ihre männlichen Altersgenossen, wächst ihr Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung nur schleppend. Rana Husseini und Linda Hindi, eine andere Journalistin, wollen sich in den kommenden Wochen für ausführlichere Interviews mit mir Zeit nehmen. Außerdem habe ich noch einige Telefonnummern abgestaubt, die ich morgen wählen will.

Endlich zurück im Hostel war mir ganz schlecht. Am muslimischen Fasten finde ich das Trinkverbot am schwierigsten. Dürfte ich tagsüber ungeniert an meiner Wasserflasche nuckeln, hätte ich weniger Probleme. Da ich aber in meinem Reiseführer gelesen habe, dass selbst Ausländern verhaftet werden können, die sich beim Essen, Trinken oder Rauchen in der Öffentlichkeit erwischen lassen, halte ich mich tunlichst an das Gebot. Hintergrund ist, dass sich die Religionszugehörigkeit natürlich nicht immer auf den ersten Blick feststellen lässt. Ich frage mich allerdings, ob dann auch die Unterwäsche der Frauen kontrolliert wird, die gegen das Fastengebot verstoßen dürfen, weil sie ihre Periode haben. Wahrscheinlich ein total dämlicher Gedanke, denn diese Frauen werden ihr Privileg vermutlich nur innerhalb ihrer Wohnung nutzen. Jedenfalls verschwinde ich im Sprachzentrum höchstens mal für ein paar Stücke Schokolade oder Traubenzucker und einen Schluck Wasser auf die Toilette. Dass heute dabei aus der Nachbarkabine Kotzgeräusche kamen, macht die Geheimniskrämerei nicht unbedingt attraktiver.

Brot und Wasser und ne Runde Schlaf – ich fühle mich deutlich besser jetzt. Gleich kann ich auch wieder in die Küche und hoffe, Berta nicht zu treffen. Danach könnte ich noch mit Henning und Florian Tee trinken gehen, aber ich werde wohl in meinem Zimmer bleiben und einige Dinge schreiben, die ich morgen verschicken will.